Karsten Zimalla für Westzeit 06/2021
Der Herr Türk stammt vom linken Niederrhein, vom Dorf. Konsequenterweise spielt er auch schon seit Jahren bei der vielköpfigen KrautJazzCombo The Dorf. Und nach seiner Zeit mit Family 5 und etlichen Studio- und TourBand-Jobs ist er auch von Beginn an Trompeter in Markus Maria Jansens Band Jansen. Ein vielseitiger und anpassungsfähiger Mann, der es nun auch an der Zeit fand, mal eine Soloplatte aufzunehmen. Dabei half ihm MMJ zwar als Produzent und Aufnahmetechniker, aber die Instrumente (und das sind von Trompete und Flügelhorn über Gitarren und Bass bis Didgeridoo und diverser Perkussion etliche!) spielt Markus Türk sämtlich selbst. Dann wird die loop-station gefüttert und es entstehen wunderbare Schleifen aus JazzPopMinimalWorldRockAmbient und immer wieder jeder denkbaren Form von Blasmusik. Die tragen dann Namen wie „Wieder kein Oskar“ oder „Dorfpunk“ und zwinkern bei „M. Walking under Water“ auch mal der anderen Band des freundlichen „Dachapparat“-Studio- Besitzers zu. Ein sehr gelungenes (und für mich angesichts der Jahrzehnte als sideman schon fast überraschend eigenständiges) Album eines phantastischen Musikers. 4Weitere Infos: › www.umlandrecords.de
Bad Alchemie, 10.05.21
rbd
Wenn der Trompeter MARKUS TÜRK sein schlicht türk (Umland 46) getauftes Solo mit ‚Dorfpunk‘ bestückt, dann zwinkert er nicht nur Rocko Schamoni zu, der End-50er und, wie ich sehe, Steinbock wortspielt da zugleich mit seinen eigenen Bocksprüngen: Denen der Soul-Funk-Punkrock-Jahre mit Peter Hein & Xao Seffcheque in Family 5, von „Ball der Verwirrung“ (1983) bis „Ein richtiges Leben in Flaschen“ (2018). Denen beim mehr oder weniger Pop?, Folk?, Glamour? mit Salsa Picante, Jansen, Mouse On Mars, Marla Glen, Los Campesinos Furiosos… Und denen seiner jazzigen Kapriolen, von ambient mit Belgium / Byggesett Orchestra (mit Georg Sehrbrock) über Volxmusikkabarett mit Furiosef / Furiopolis (mit Manfred Heinen) bis Uff! mit The Dorf (mit Umland United). Ob Teilchen oder Welle gegen den Strom, wo ist da das Problem? Ein Problem gibt’s, wenn ‚Dunkle Zeiten‘ einen ‚You are my Sunshine‘ seufzen lassen. Und ‚The Saddest Thing in your Life‘ wär z. B., vom ‚Sinai‘ mit leeren Händen abzusteigen. Türk schöpft mit vollen Händen aus Erfahrungen auf den ‚Holzwegen ins Glück‘ zwischen Grefrath, Myanmar, Moers und Minsk. ‚Yuri Joaõ‘ erinnert melancholisch an eine trübe Curry-Phase, ‚M. Walking under Water‘ an M. Walking On The Waters „Dogma 13“. Deren Kopf Markus Maria Jansen, der selber mit ‚Virus (21 Strophen Deutschland)‘ vom chronischen Befall durch den ‚Herrenmenschenvirus‘ raunt, er ist hier in allem – Mix, Loops, Elektronik, Produktion, Design – Türks Freund & Helfer, während der mit Trumpet, Flugelhorn, Tenorhorn, Trombone, Tuba, Guitars, Bass, Vocals, Drums & Percussion seinen Lebenslauf orchestriert. Als Loopstationsvorsteher einer überdeutschen Blaskapelle, die rollend oder selbst hinkend noch Volksvermögen in Sicherheit bringt vor den Aasgeiern des Marktes und den Volksverdummern. Mit zirpender Trompetentristesse und transatlantischen Tönen, josé-hot oder swingend auf den Flügelhörnern eines Gesangs (ohne Worte), der aus der Seele spricht. Während falsche Propheten mit Didgeridoo & Berimbau Tänze um goldene Kälber anführen, kreuzt Türk mit Balkan-Humpagroove und Clownsgetröte, und hinter ihm leuchtet Diogenes mit der Laterne auf dem Mark herum. Alles versinkt vor Kummer in der Tuba, wenn Türk Trübsal bluest, als würde die Niers in den Mississippi münden. Doch dreht er gleich wieder so anarchisch und unbändig am Rad, dass sich dazu die Dorfpunks aller Länder vereinigen könnten. Ganz wunderbar erhebt sich die Trompete über den grummelig dahinstampfenden Tubas und kann doch nicht vergessen, dass der Weg aus der Vergangenheit von begrabenen Hunden und verlorenen Strümpfen gesäumt ist. Zuletzt schnorchelt Türk blubbernd nach dem Schatz der Nibelungen. Alberich grinst. Und ich kann endlich mal schreiben: Form follows Volksmund, follows Vogelflug. File under popular! Absolut. [BA 110 rbd]
Neues Album „Türk“ von Ottmar Nagel / Rheinische Post 05/2021
Seit dem ersten Lockdown im März letzten Jahres sind hunderttausende Konzerte in Deutschland ausgefallen, für Berufsmusiker ein Fiasko. Das hat der Grefrather Trompeter Markus Türk auch erlebt. Das eigene Musizieren auf der Bühne hat ihm natürlich gefehlt, lediglich im Spätsommer waren kleinere Konzerte unter entsprechenden Bedingungen möglich. „Auch die Proben mit den verschiedenen Big Bands am Luise-von-Duesberg Gymnasium und an der Musikschule Mönchengladbach konnten lange nicht stattfinden,“ berichtet er als deren Leiter, „doch angesichts der sich momentan verbessernden Situation haben wir doch die Hoffnung, dass schonmal die Kempen Big Band im September wieder auftreten kann“. Seine Tätigkeit als angestellter Musikpädagoge empfindet er als Privileg, denn die finanziellen Auswirkungen waren so überschaubar. Als Mitglied von „The Dorf“, einem vielbeachteten innovativen über 30köpfigem Ensemble in sich stetig verändernder Besetzung war Kreativität gefragt. „Wir haben mal Open Air gespielt, auf dem Bochumer Rathausplatz, fünf Meter Abstand zueinander, einfach um auf die Situation von Musikern aufmerksam zu machen. Aufnahmen haben wir in Recording Ketten von einem Musiker zum nächsten geschickt, immer kam eine neue Spur dazu,“ berichtet er von alterativen Arbeitsweisen, „sogar Telefonkonzerte haben wir gegeben, die bei der Eröffnung der Ruhrfestspiele mit im Spiel waren, und, was für uns natürlich großartig war, wir haben ein Stipendium vom Musikfonds erhalten.“ Auch das Land NRW unterstützte The Dorf beim Protest Possible Projekt, welches als Live Stream aus dem Domizil in Dortmund ans Publikum gebracht wurde. Andere Ensembles liegen im Moment auf Eis, doch es wird im Homeoffice schon am „Comeback“ gearbeitet. So wird „Furiosef“ demnächst mit einem neuen Programm aufwarten.
„Ich habe mich im letzten Sommer entschlossen drei kleine Solokonzerte zu geben, Material zusammengestellt und eine kleine Loop Station eingesetzt. Das hat super funktioniert, die Reaktionen waren auch toll,“ erzählt Markus Türk vom unterbrochenen Lockdown im vergangenen Spätsommer. Ermutig durch die positive Resonanz war die Idee für eine Solo CD geboren. Der Krefelder Markus Maria Jansen – mit ihm arbeitet Türk schon lange zusammen – war als Tontechniker und Produzent mit von der Partie. „Das war ein echter Glücksfall, wir kennen uns sehr gut, die Atmosphäre war entspannt und inspirierend. Wir haben nur ein bis zwei Stücke pro Woche aufgenommen, danach hat Markus noch am Arrangement und der Abmischung gefeilt, so sind die Stücke immer besser geworden,“ erzählt der Grefrather begeistert von der Zeit der Aufnahmen, woraus elf Stücke für das Album hervorgegangen sind, deren Tracks er alle selbst eingespielt hat von Gitarre und Bass über Tuba, Schlagzeug, diverse Percussions zu Posaune und natürlich Trompete. Mit den Stücken geht man auf eine Reise zu den verschiedenen Stationen von Türks musikalischer Vita, allerdings nicht als Rückblick, sondern als neue Erfahrung aus heutiger Sicht. Es ist kein Punksong à la Family Five oder Rohöl dabei, und auch nicht Jazz pur, wie man es von einem Absolventen dieses Studienganges erwarten würde. Diese Einflüsse sind zu hören, natürlich besonders in den Improvisationen. Doch Klangexperimente, Weltmusikeinflüsse wie eine schöne Prise Balkan oder ein Griff in die Blueskiste geben der Musik einen weiten stilistischen Horizont, der durchzogen ist von einem stets erkennbaren roten musikalischen Faden. Das beim Umland Label erschienene Album ist einerseits mit einer klaren Handschrift, andererseits mit differenzierten Strukturen abgemischt: eine Schatzkiste, die immer neue Entdeckungen. Und live gibt es das Ganze auch noch: Aus dem Domizil in Dortmund am Donnerstag, den 20. Mai als Live Stream mit zwei Acts des Umland Labels. Reinhören? Ganz einfach, Homepage des Domizils anklicken, Link finden und los geht’s.
Infokasten: Die CD ist erhältlich im Grefrather Buchladen, über die Homepage von Markus Türk,
Für Downloads: https://umlandrecords.bandcamp.com Wer Schallplatten favorisiert: Auf Vinyl kommt das Album in 1-2 Monaten heraus.
BAZE.DJUNKIII ÜBER MUSIK UND ALLGEMEINES LEBEN
HOME OF INTRAUTERIN RECORDINGS / INTRAUTERIN TAPES / EL CABALLO SEMENTAL
Q [E] M = QUALITÄT [ELEKTRONISCH] MUSIK
DONNERSTAG, 13. MAI 2021
Markus Türk – Türk [Umland Records 046]
Bald über Essen’s immer aktives Label Umland Records als Kat.-Nr. 046 ist „Türk“, das neue Soloalbum des Trompeters Markus Türk, der sich der Herausforderung gestellt hat, diesen rund 43 Minuten langen Longplayer ganz alleine zu produzieren und dabei eine Vielzahl verschiedener Instrumente sowie eine Loop-Station zu verwenden und zu missbrauchen, während er Einflüsse zeichnet von seiner mehr als 25-jährigen Karriere. Das musikalische Spektrum von Markus Türk ist und ist immer breit gefächert. Er spielt in Bands wie dem berühmten Punk-Outfit Family 5 und arbeitet mit den Umland Records zusammenSpirituelle und etwas rituelle Atmosphären als Grundlage für tiefe, hochmelancholische Messingtöne, bevor sich „Somewhere In The Past“ als ein eigenständiger und leicht fieberhafter Dancefloor-Smash herausstellt – und eine angeborene Qualität, die diese Melodie qualifizieren würde in einem zukünftigen Tarantino-Soundtrack vorgestellt werden – nur um hier ein paar Favoriten auszuwählen. Prüfen.
Donnerstag, 20. Mai 2021
Der Trompeter Markus Türk legt mit „türk“ seine erste Solo-CD vor
Blech, melancholischer Charme und Meeresgesang
Von Klaus M. Schmidt
Geboren wurde er 1962 in Krefeld, aber seit 1970 ist er Grefrather. Der Trompeter Markus Türk ist trotzdem Bestandteil der Krefelder Musikszene. Man kennt ihn hier, weil er in Markus Jansens Band Jansen Trompete und Bass spielt oder auch in Cacos Herz-Schmerz-Trio für die mehr oder weniger jazzigen Akzente sorgte. Dann ist er aber auch Mitglied der bekannten Ruhrgebiets-Big-Band The Dorf, die schon öfter hier gastierte. Nun hat Markus Türk unter dem schlichten Titel „türk“ seine erste Solo-CD herausgebracht.
Unmöglich kann man hier alle Bands aufzählen, in denen Türk schon mitgewirkt hat. Festhalten muss man aber, dass der ausgebildete Jazzer musikalisch schon in vielen Welten unterwegs war. Und um eine Aufzählung kommt man nicht herum. Auf seiner CD spielt Türk: Trompete, Flügelhorn, Tenorhorn, Ventilposaune, Tuba, Gitarren, Bass, Schlagzeug, Didgeridoo, Berimbau, Schlitztrommel, Kalimbas und weitere Perkussionsinstrumente. Seine Stimme ist auch zu vernehmen, und dann hat Türk auch noch bis auf eines alle Stücke des Albums komponiert.
Die Musik des Multiinstrumentalisten auf der CD ist unmöglich in eine Schublade zustecken, weder stilistisch noch vom Gestus her. Viele der mehrspurig oder mit Loops zusammengebauten insgesamt elf Tracks wirken rau und grob zusammengezimmert, so als wol te der „Dorfpunk“ (Stücktitel) Türk aber nun auch wirklich jeden Anflug von Eleganz vermeiden. Man bekommt mehr als einen Blues zu hören, dann aber auch eine Blaskapellen-Polka. Man hört indische oder auch arabische Anklänge, und bei vielem fragt man sich: Ist das noch Jazz oder schon Punk? Kritisieren muss man, dass Türk dem Multiinstrumentalisten Türk zu oft die Zügel hat schießen lassen. Da ist mancher Bläsersatz einfach zu fettgeraten – und dass man nur Blech-, aber eben keine Holzblasinstrumente zu hören bekommt, macht es nicht besser. Auch zwei oder drei Perkussionsinstrumente weniger in die Hand zu nehmen, hätte manchem Stück gutgetan. Viele Arrangements wirken durch die Instrumentierung überladen. Da, wo sich Türk beschränkt hat, weiß er zu überzeugen. In der jazzigen Ballade „Piece oft the Night“ versprüht er mit gestopfter Trompete melancholischen Charme. Und in „Sinai“ vermischen sich Einflüsse aus nahem und fernen Osten zu einem schillernden Klangbild. In „The Saddest Thing in your Life“ wird man aber auch einmal positiv von der Fülle eines „jammernden“ Bläsersatzes überrascht. Ganz zum Schluss lässt ein Stück die vielleicht zu wenig genutzten experimentellen Möglichkeiten eines Soloprojekts aufscheinen. Für „M. walking under Water“ – der Titel eine Anspielung auf die Band M. walking on the water des Musikerfreundes Markus Jansen – lässt Türk seine Trompete lustig unter Wasser vor sich hin gurgeln. Das ist ein schöner Meeresgesang.
Die CD ist erschienen bei Umland Records. Markus Jansen hat sie produziert und aufgenommen sowie das schlicht-schöne Cover entworfen.